In Deutschland gibt es ein Problem, Nachfolger für bestehende Unternehmen, Freiberufler-Praxen oder landwirtschaftliche Betriebe zu finden. Bei Unternehmenskauf schrecken hohe Anfangsverschuldungen durch den Kaufpreis ab. Bei unentgeltlichen Übertragungen müssen strenge Bedingungen für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerfreiheit eingehalten werden. Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann zwischen zwei Varianten wählen:
Bei der sogenannten Regelverschonung bleiben 85% des Wertes verschont nach Abzug eines Freibetrags von 150.000 €, der bei einem Gesamtwert über 1 Mio € abgeschmolzen wird. D.h. ein Betrieb bis zu einem Gesamtwert von 1 Mio € bleibt steuerfrei: von 1 Mio € abzgl Freibetrag 150.000 € bleibt ein steuerpflichtiges Vermögen von 850.000 €. Davon werden dann 85% von 1 Mio € = 850.000 € von der Schenkungsteuer „verschont“, wenn der Betrieb 5 Jahre weitergeführt wird und auch die Arbeitsplätze nicht wegfallen. Dafür muss zusätzlich eine bestimmte Lohnsummenhöhe für diesen Zeitraum bestehen bleiben. Werden die Bedingungen nicht eingehalten, dann wird rückwirkend die Steuerfreiheit aufgehoben.
Da stellt sich schnell die Frage, ob man nicht gleich die sogenannte Optionsverschonung von 100% beantragen soll und dann raus aus der Nummer ist. Da gelten dann allerdings noch mal strengere Maßstäbe. Insbesondere steigt die Behaltensfrist auf 7 Jahre und auch die Lohnsummenklausel gilt solange. Aber einer der wichtigsten Hinderungsgründe war bisher eine böse Falle bei nachträglichen Änderungen: Der Antrag auf Optionsverschonung muss bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides gestellt werden und ist unwiderruflich. Sollte dann aus irgendwelchen Gründen später eine der strengeren Voraussetzungen für die völlige Steuerfreistellung entfallen, dann fällt nicht nur die 100% Befreiung weg, sondern man fällt auch nicht auf die Regelverschonung zurück , sondern zahlt voll auf den Gesamtwert des Betriebs.
Das erschien wie die Wahl zwischen Pest und Cholera: entweder vorsorglich nur die Regelverschonung beanspruchen und das Risiko eingehen, bei späteren Wertänderungen eine Steuer auf den Mehrbetrag in Kauf zu nehmen oder mit einem Antrag auf 100% Befreiung das Risiko einzugehen, alles voll zu versteuern, wenn das Finanzamt anschließend feststellt, dass die Antragsvoraussetzungen nicht vorlagen.
Hier kann jetzt das BFH-Urteil vom 11.12.2024, Az II R 44/21 einen Lösungsweg aufzeigen: Danach ist der Antrag auf Optionsverschonung für Betriebsvermögen bei der Schenkungsteuer im Rahmen eines Änderungsbescheids noch begrenzt möglich. Der BFH verweist dazu auf die allgemeinen Verfahrensregeln der Abgabenordnung, dass spätere Änderungen eines bereits bestandskräftigen Bescheids zugunsten des Steuerpflichtigen möglich sind, “soweit die Änderung reicht” (§ 351 Abs. 1 AO). Im Urteilsfall war ein Bescheid mit vorläufigen Unternehmenswerten und Regelverschonung bereits bestandskräftig geworden. Die Unternehmenswerte wurden dann später durch die Betriebsfinanzämter deutlich höher angesetzt. Dem dagegen eingelegten Einspruch mit Antrag auf Vollverschonung gab der BFH in Bezug auf die Erhöhung statt.
Erfreulich: Die Finanzverwaltung hat das Urteil am 24.07.2025 für allgemein anwendbar erklärt und im Bundessteuerblatt veröffentlicht (BFH vom 11.12.2024, Az II R 44/21, BStBl II 2025, Seite 0564). Aber da sich das Steuerrecht ja dauernd ändert, hat die BFH-Richterin Dr. Anette Kugelmüller- Pugh in einer Anmerkung zum Urteil in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht DStR noch untersucht, ob das auch für aktuelle Fälle gilt mit dem Ergebnis: “Aufgrund der ähnlichen Gestaltung der derzeitigen Fassung (des ErbStG Anm. bpw) ist davon auszugehen, dass die Rechtsgrundsätze des aktuellen Urteils auf die derzeitige Fassung des § 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 1, S. 2 ErbStG übertragen werden können.” (DStR 2025, S. 1033).
Kompliziert? Ja, aber es geht ja auch um generationenübergreifende Entscheidungen und da sollte man sich immer fachkundig beraten lassen. Sprechen Sie uns bei Bedarf gerne an.